Kräftebündeln durch Vernetzung ist in der Wirtschaft ein bewährtes Rezept. In der Armutsbekämpfung ist es ein neuer Ansatz: Unternehmensnetzwerke in Afrika vereinen viele gute Initiativen im Kampf gegen Armut – und machen sie so noch wirksamer.

Stuttgart ist ein Powerhouse: Die Wirtschaftsleistung in der Region gehört zu den 15 höchsten in Europa, die Anzahl der Patentanmeldungen ist deutscher Rekord. Was macht Stuttgart so erfolgreich? Die Antwort: Stuttgart ist nicht Champion als Einzelspieler, sondern im Mannschaftssport. Nicht das eine Unternehmen macht den Unterschied, sondern das ganze Netz aus Branchenpartnern, Kunden, Zulieferern, Forschungseinrichtungen, Verbänden und Kammern.

Dass Unternehmensnetzwerke wie Katalysatoren der wirtschaftlichen Entwicklung wirken, ist in der ökonomischen Theorie längst bekannt: Der Netzwerk-Effekt macht aus der Idee eines einsamen Tüftlers dank Forschungseinrichtungen, Produzenten und Händlern einen angesagten Million-Seller. Der Lock-in-Effekt stellt sicher, dass die einzelnen Partnerelemente sich gegenseitig stützen und gemeinsam nach oben ziehen. In ganz Deutschland verbünden sich daher Player in über 16.000 Verbänden – die  meisten finden sich dort, wo die Wirtschaft stark ist. Diese Erkenntnis hat es in sich.

Von Entwicklungshilfe zu Entwicklungszusammenarbeit

Vernetzung schafft Wirtschaftskraft, das ist also eigentlich ein alter Hut. Doch als Mittel gegen Armut wurde sie lange nicht entdeckt. Dabei haben im Prinzip auch die Geberländer des Nordens erkannt, dass Lösungen aus der Wirtschaft der Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung sind. Sowohl die Bundesregierung als auch die deutsche Wirtschaft wollen nicht mehr nur als großzügige Geber auftreten, sondern über Direktinvestitionen wirtschaftliche Partnerschaften mit Afrika begründen.

Aber hier lauert eine Gefahr: Wenn Großkonzerne aus dem Globalen Norden in Afrika Geschäfte machen, kann von Augenhöhe oft keine Rede sein. Die Konzerne sind der afrikanischen Seite weit überlegen, was die Ausstattung mit Kapital, Technologie, Organisationseffizienz, öffentlicher Aufmerksamkeit und oft auch politischem Einfluss anbelangt. Kurz: Die Konzerne des Nordens können Afrikas Betriebe geradezu überrollen. Die Partner mögen sich in die Augen sehen, auf einem Level sind sie aber nicht.

Hier reimt sich ugandisch auf gigantisch

Und hier kommt das Stuttgarter Erfolgsrezept der Stiftung Stay ins Spiel: Die Stiftung hilft Sozialunternehmen in Afrika sich in Verbänden zusammenzuschließen. So multipliziert sie die Wirkung einheimischer Ideen, Initiativen und Projekte. Zum Beispiel in einem Landwirtschaftsprojekt in Uganda, das vermittelt über die Stay Alliance von mehreren lokalen Unternehmen ins Leben gerufen wurde: Kleinbäuerinnen lernen, wie sie mit der Aufzucht von Schweinen ihr eigenes Geld verdienen können. Die Bauern geben ihr Wissen an andere weiter – in einigen Jahren erreicht das Projekt so mehrere tausend Familien in ganz Uganda. Mit ihrem selbstverdienten Geld können sich diese Familien eine bessere Gesundheitsversorgung und endlich die Schule für ihre Kinder leisten.

Der Netzwerk-Effekt in der Entwicklungszusammenarbeit bedeutet auch, dass die zusammengeschlossenen Sozialunternehmer sich über Erfolgskonzepte und Rückschläge austauschen, gemeinsam Projekte erarbeiten und Brücken zwischen Produktion, Vertrieb und Handel schlagen. Jeder einzelne Sozialunternehmer in Afrika ist stark, doch gemeinsam sind sie noch stärker.

Verbandsmeier sind stärker

Die Stiftung Stay hat solche Unternehmensnetzwerke in Afrika bislang in drei Ländern aufgebaut: Uganda, Kenia und Ruanda. Diese Stay Alliances tragen dazu bei, in Afrika eigene wirtschaftliche Strukturen zu schaffen, ein tragfähiges Fundament aus unternehmerischem Know-how, Selbstbestimmung, kultureller Passung und Autonomie. Die Unternehmensnetzwerke wachsen zu bedeutenden Playern, die sich auch gegenüber Politik und Behörden mehr Gehör verschaffen können, als es jedes einzelne Unternehmen könnte.

Das ist der Kerngedanke der Vernetzung, der in Afrika genauso funktioniert wie in Stuttgart. Und die Resonanz in den drei afrikanischen Ländern ist groß: Der Netzwerk-Gedanke überzeugt in den drei Ländern bereits 80 Sozialunternehmen. Wie sie das Networking im Business-Alltag ausgestalten, das ist natürlich Sache der afrikanischen Partner. Beatrice Kwamboka arbeitet mit am Aufbau der Stay Alliance in Kenia und bringt es auf den Punkt: „Wir machen es auf die kenianische Art.“

Quelle Fakten: Deutsches Verbände-Forum, Wirtschaftsförderung Region Stuttgart, Statistisches Landesamt Baden-Württemberg