Wir lassen Unternehmer und Politiker zu Wort kommen, wenn es darum geht, Ideen für ein nachhaltig besseres Leben in den ärmsten Regionen dieser Welt zu entwickeln.

Dass Nachhaltigkeit erfolgreich macht, davon ist Franz Untersteller, Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg überzeugt. Das Haus des baden-württembergischen Ministers für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft entwickelte daher zusammen mit der Wirtschaft die WIN-Charta. Dieses Regelwerk für ganz konkretes Nachhaltigkeitsmanagement ist speziell auf kleine und mittelständische Unternehmen zugeschnitten. Rund 150 Unternehmen in Baden-Württemberg machen bei der WIN-Charta schon mit. Untersteller sagte im Gespräch mit Stay, dass es für Unternehmen sogar ein Marktvorteil sei, sich sozial und für Nachhaltigkeit zu engagieren. Kurz: Nachhaltigkeit ist ein Erfolgsfaktor. Lesen Sie mehr in unserem Gespräch mit Franz Untersteller.

Stay: Was war für Sie der Anstoß, im Rahmen der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit auch die WIN-Charta zu entwickeln und somit Unternehmer*innen direkt der Nachhaltigkeit zu verpflichten?

Untersteller: Gerade bei uns in Baden-Württemberg sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Familienbetriebe diejenigen, die hier ganz erfolgreich wirtschaften. Deshalb war uns klar, dass wir die Wirtschaft gleich von Anfang an einbeziehen müssen – und aus der Zusammenarbeit für die Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit hat sich dann mit der Zeit auch die WIN-Charta entwickelt, die ein ganz konkretes Nachhaltigkeitsmanagementsystem für kleine und mittelständische Unternehmen bietet. Denn die Bestimmungen, die für DAX-Unternehmen gelten, passen oft für die kleineren Unternehmen nicht – deshalb ist es auch Ziel der WIN-Charta, kleinen und mittelständischen Unternehmen den Einstieg in ein strukturiertes Nachhaltigkeitsmanagement zu erleichtern.

Stay: In den drei Jahren, in denen es die WIN-Charta nun schon gibt, ist die Zahl der unterzeichnenden Unternehmen auf rund 150 gestiegen. Was hat diese Unternehmen überzeugt?

Untersteller: Wir gewinnen im Schnitt 50 Unternehmen pro Jahr dazu. Ganz wichtig ist natürlich, das Vertrauen der Unternehmen in die Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium zu fördern. Die Unternehmer*innen haben hier bei uns konkrete Ansprechpartner*innen und ein sehr schlankes Verwaltungssystem mit vielfältigen Angeboten und Förderprogrammen. Auch haben wir die WIN-Charta mittlerweile so ausgerichtet, dass sie die Anforderungen der europäischen CSR-Richtlinie erfüllt und damit diejenigen, die bei der WIN-Charta mitmachen, so gegenüber ihren Kooperationspartner*innen den Nachweis erbringen können. Wichtig ist für uns zudem auch, dass die WIN-Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele und -bestrebungen öffentlich kommunizieren. Da spielen die Nachhaltigkeitsberichte eine große Rolle, die auch auf der Homepage der WIN-Charta veröffentlicht werden und so die Glaubhaftigkeit der Initiative untermauern.

Stay: Wie motivieren Sie Unternehmen trotz hoher Kosten, sich nachhaltig auszurichten?

Untersteller: Da gibt es einige Anreize, die wir geschaffen haben. So zum Beispiel den „Umweltpreis für Unternehmen“ und den „Umwelttechnikpreis des Landes Baden-Württemberg“. Wir verleihen jedes Jahr abwechselnd einen der Preise, die in verschiedenen Sparten vergeben werden und mit Preisgeldern von insgesamt 60,000€ bzw. 100,000€ auch durchaus hoch dotiert sind.

Heutzutage ist es offensichtlich geworden, dass das es für Unternehmen ein richtiger Marktvorteil ist, sich sozial und für die Nachhaltigkeit zu engagieren und dieses Engagement auch deutlich nach außen hin zu kommunizieren. Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wollen nicht nur wissen, was sie kaufen, sondern auch, wie die Rahmenbedingungen für die Produktion aussehen. Da sollen die WIN-Charta und die Umweltpreise natürlich auch als Qualitätssigel gelten, die zeigen, dass solche Themen in den Unternehmen Berücksichtigung finden.

Stay: Stichwort wirtschaftlicher Erfolg: Inwiefern erwachsen der baden-württembergischen Wirtschaft durch ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen auch neue Potenziale im internationalen Wettbewerb?

Untersteller: Es gibt mehrere Studien aus den letzten Jahren, die zeigen, dass die Umwelttechnik gegenüber anderen Wirtschaftssektoren überdurchschnittlich stark wächst. Und Baden-Württemberg ist einer der wichtigsten Standorte für moderne Umwelttechnologie, das sehen wir auch in der Nachfrage nach unseren Technologien und Produkten. Seit sieben Jahren gibt es die Landesagentur Umwelttechnik BW, die unsere Aktivitäten in diesem Bereich bündelt und auch im In- und Ausland als Ansprechpartner*innen für Umwelttechnologie aus Baden-Württemberg auftritt, sei es auf Messen oder Delegationsreisen der Landesregierung im Ausland.

Baden-Württemberg emittiert gerade einmal 0.2% der globalen C02 Emissionen. Jetzt könnte man sagen – ob wir 0.2% oder 0.4% emittieren, das ist eigentlich egal. Aber genau das machen wir nicht, sondern setzen alles daran, unsere CO2 Emissionen zu reduzieren, um auch anderen zu zeigen, dass zum einen möglich ist, und zum anderen auch mit wirtschaftlichem Wachstum, mit interessanten Arbeitsplätzen, neuen Geschäftsmodellen und neuen Produkten einhergeht – denn dann werden andere auch bereit sein, diesen Weg mit uns zu gehen.

Stay: Und wie sieht das konkret aus?

Untersteller: Das lässt sich am Beispiel Windkraft und Photovoltaik gut erklären: beide Umwelttechniken wurden in Deutschland in den letzten 15 Jahren massiv vorangebracht. Wir waren mit die ersten, die dafür gesorgt haben, dass die Kosten dafür runtergehen. Ich sage immer, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war die wichtigste entwicklungspolitische Maßnahme in der Geschichte der Bundesrepublik. Warum? Weil wir dafür gesorgt haben, dass die Stromerzeugungskosten durch Wind und Photovoltaik heute auf einem niedrigeren Niveau sind als die Erzeugung aus konventionellen Anlagen, also sprich Kohlekraftwerken oder Gaskraftwerken. Und das ist die Voraussetzung dafür, dass Entwicklungs- und Schwellenländer Photovoltaik und Windenergie heute nutzen, herstellen und auch verkaufen können. Insbesondere in der Windenergie spielt Deutschland heute nach wie vor weltweit bei der Herstellung eine große Rolle – so wie wir heute unsere Autos exportieren gehe ich davon aus, dass wir in zunehmendem Maße auch Umwelttechnologie exportieren werden.

Stay: Kommen wir zur internationalen Zusammenarbeit: Baden-Württemberg ist einer der Initiatoren der Under2 Coalition, einem Bündnis auf der subnationalen Ebene, dessen Ziel es ist, die globale Erderwärmung unter 2°C zu halten. Wo sehen Sie hier Potentiale für die verstärkte Zusammenarbeit mit Regionen aus dem globalen Süden?

Untersteller: Mal kurz zur Geschichte dieser Initiative: Entstanden ist das alles durch Gespräche zwischen Kalifornien und Baden-Württemberg; 2015 gab es dann die erste Unterzeichnungszeremonie in Kalifornien, an der auch der Ministerpräsident teilgenommen hat. 12 Regionen waren die ersten Unterzeichner, darunter neben Baden-Württemberg und Kalifornien auch zwei mexikanische Bundesstaaten und einer aus Brasilien, also schon von Anfang an waren Regionen auf der Südhalbkugel beteiligt. Heute sind es bereits 205 Regionen, damit ist die Under2 Coalition das weltweit größte Bündnis im Kampf gegen den Klimawandel. Wir repräsentieren 1,3 Mrd. Menschen und decken 40% der globalen Wirtschaftsleistung ab, das hätte ich mir in so kurzer Zeit nie erträumen lassen!

Weil jede Region andere Voraussetzungen und eine andere Ausgangslage hat, definiert jede Region für sich Ziele für die nächsten Jahre und Jahrzehnte, um CO2 Emissionen zu reduzieren. Kalifornien hat viel mehr Emissionen im Verkehrssektor als wir, dafür haben sie aber weniger im Wärmesektor, weil man in Kalifornien ja nicht so viel heizen muss. Weltweit sind die Unterschiede zwischen den Regionen natürlich sehr groß.  Mittlerweile sind wir auch in der Lage, schwächere Regionen auf ihrem Weg für mehr Klimaschutz zu unterstützen. Denn die Under2 Coalition ist explizit nicht nur ein Bündnis von reichen Ländern auf der Nordhalbkugel, sondern durchaus ein globales Bündnis auf 6 Kontinenten, wo diejenigen, die finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Klimaziele brauchen, sie auch bekommen können.

Stay bringt Unternehmer*innen zusammen, um nachhaltige Strukturen in den ärmsten Regionen der Welt aufzubauen. Werden Sie hier Teil unseres starken Netzwerks.

Jacqueline Göron